Situationen und Ereignisse » Toni Areal | Zürich | 2017

Lazy Action oder die Ökologie der müssigen Zeit

Während der Nachhaltigkeitswoche der fünf Zürcher Hochschulen (ETHZ, UZH, ZHdK, ZHAW und PHZH) wurde während fünf Tagen ein Hospiz der Faulheit im Toni Areal eingerichtet. Dort darf zwar an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr gearbeitet werden, doch Schlafen ist nicht erlaubt. Auch gibt es keine Räume zur Entspannung. Diese Bedingungen stellen aus diversen Gründen für einige der Studierenden erschwerte Produktionsverhältnisse dar.

Im Hospiz der Faulheit ging es jedoch nicht darum, die Produktivität zu steigern, indem man Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, die der Nicht-Tätigkeit gewidmet sind. Vielmehr sollte der regelrecht in Fleisch und Blut übergegangene Zwang, immer etwas herstellen zu müssen (materiell, immateriell, sozial) in Frage gestellt werden. Diese Zwänge sozusagen in ihrem Wegfallen erfahrbar zu machen, war eine der Absichten.

Für die Dauer der Einrichtung wurde ein Programm angekündigt, das in seiner Überfülle unmöglich durchgeführt werden konnte. Die Absicht dabei war, thematische Felder zu öffnen und bestimmte Sets an Positionen anklingen zu lassen, die sowohl eigene Ansichten wiedergaben, als auch Anschlüsse an die Institutionen boten, innerhalb derer das Hospiz der Faulheit agierte. Die Themenbereiche waren in den Feldern „Kulturtechniken des Müssiggangs“, „Faule Ökonomien“ oder „Die Ökologie der Faulheit“ angesiedelt. Darüber konnten verschiedene fruchtbare Diskurse und Kontroversen in Gang gebracht werden, die mitunter auch das ironische Potential des Hospizes der Faulheit aufzeigten.

Einladung

Die Zeit erhält erst in der Verschwendung ihren vollen Wert. Sie wird zur konstitutiven Grösse für ein oikos, das man bewohnen will, oder anders gesagt: Für ein lebenswertes Leben. Die Musse, die erst darin Platz nehmen kann, gestaltet sich nicht als dumpfe Passivität, sondern als Potential eines anderen Lebens, das erst erfunden und erfahren werden muss.

 

Versteht man den Begriff der Ökologie und den nachhaltigen Umgang mit ihr, als primär auf die komplexen Systeme gerichtet, die uns am Leben halten, ist es nicht möglich diese Formen von Ressourcen auszuklammern. Aus der Dichotomie von Arbeit und Freizeit austretend, offenbart die Faulheit eine Dimension von Vorgängen, die der Zersetzung des (Ver-)Faulens ähnlich sind: Das gegenwärtig Bestehende kann in all seinen krisenhaften, prekären Zuständen nicht mittels den gewohnten Sprachen und in den gewohnten Gefässen wirksam bekämpft werden.

 

Die neoliberalen Maschinen produzieren immer drastischere Formen der Prekarität auf verschiedenen Ebenen: Mental (Affektiv, Psychisch), Sozial (Politisch, Wirtschaftlich), Ökologisch. Diesen Prekaritäten kann nur begegnet werden, wenn man ein ökologisches Denken auf all diese Sphären ausweitet. Die Faulheit wird damit zur Vorbedingung einer Ökologie, die es ermöglicht, dass andere Sprachen, Gefässe und Praktiken entstehen können. Diese Formen der Untätigkeit fordern ein anderes Denken heraus und öffnen Horizonte von neuen Seinsweisen, Handlungsweisen und im Angesicht des erstarkenden Faschismus, konviviale Horizonte der Hoffnung.

 

Wir laden an der diesjährigen Nachhaltigkeitswoche ein, diese Verschwendung gemeinsam zu praktizieren und darin dieses andere aufzuspüren. Dazu planen wir Situationen zu generieren, die den Austausch zwischen den Disziplinen ermöglichen und fördern – allerdings mit einem Fokus auf die Unproduktivität und ihr widerständiges Potential. Das reichhaltige Programm, das in dieser Woche stattfinden soll, schweift über die verschiedensten Gebiete und Spezialist*innen und Expert*innen aller Art werden anwesend sein und ihr Wissen mit euch teilen.

Programm

Kulturtechniken des Müssiggangs

Nachhaltigkeit der Desidentifizierung
Desidentifizierung mit der Nachhaltigkeit
Grunzen mit Guattari
Soziokulturelle  Risiken bei der Verwendung von humanoiden Leibwinden zur Rekonstruktion  der habitablen Zone unter Berücksichtigung des planetaren Klimas
Nachhaltige Verwertung sozialer Bewegungen
Überlebensstrategien, die direkt ins Paradies führen
Die Hibernation des Siebenschläfers und was wir von ihm lernen können
Faulen für Fortgeschrittene
Depressives Gemüse und gestresste Vögel
Gulag für Schweine, Rinder und Hühner
Anleitung zum passiven Öko-Aktivismus
Input zum Output: Emissionsenergien
In unberührter Natur die Kackscheisse an richtiger Stelle dampfen lassen
Nachhaltige Auktion von Body-Parts
Nachhaltiges Umerziehungslager mit Zizek
Prekäre mentale Ökologien
Kakophonien katatoner Kieselsteine
Workshop zu Amok und erweitertem Suizid
Grüne Revolution und Selbstmordwelle
Biotope der mentalen Sümpfe
Funken für Versteinerte
Kollektive Gedankenmaschinen
Soziale Nachhaltigkeit an der Nachhaltigkeitswoche
Massnahmen zur nachhaltigenbiotechnischen Ideologiebekämpfung
Zur Erhaltung von Biodiversität des colonialen Ökosystems bei Reizdarmpatienten
Das ABC natürlicher Dünger
Gibt es ein Leben nach dem Menschen?
Utopia war gestern
Natur aus Beton und Plastik
75 Jahre Hawkins: Ökologie des Sonnensystems
Mikrokosmos und die Suche nach dem Exoplanet
Recycling von Körpern
Body-Parts Shopping
Zerlegung und gerechte Aufteilung
Leber-Rettung oder Gesamtverwertung
Konzepte mit Nachhall
Die Geschichte der Tiefenökologie vor dem Sturz in die Kultur
Nachhaltige Energierversorgung in Umerziehungslagern: Mit einem Fokus auf biogene Rohstoffe : Referent Slavoj Zizek
Straight Edge im Arbeitshaus Breitenau (1874-1949): Ein Leben ohne Spiel, Trunk und Müssiggang: Reenactment von Milo Rau
Zur Architektur des Sozius - von Mies van der Rohe zu Zaha Hadid
Habitate der Psyche - über das Unbehagen zwischen den Kulturen
Vom Landgrabbing zum Pussygrabbing - Die faschistoide Verschmutzung in den Ökologien
Angewandter Widerstand gegen die Staatsmacht 
Enten füttern im Park
Schweigen mit der Allianz der Begeisterung
Liegende Selbstverteidigung (Karate im Kopf)
Oinkos: Wie ein Schwein 
Militante Künste des Denkens, Handelns und Lebens
Faule Ökonomien
Nachhaltigkeit als Werbestrategie (Greenbashing vs. Greenwashing)
Ökonomie der Ökologien
TINA's a bitch
So klingt die Klimawende: Nachhaltige Energieversorgung und globale Gerechtigkeit bei diarrhoe-prädominantem Leadership
Integrierter Weltkapitalismus und globale Erwärmung
Marketing für Dummies: Welpen, Hundebabys und Nachhaltigkeit
Creatio ex nihilo - Anleitung zur (Selbst-)Ausbeutung in der kreativen Ökonomie
Die Erfindung der Nachhaltigkeit
Ökologie der Faulheit
Ausbildung der Ökoavantgarde (Basecamp)
Wie umgehen mit Ökofaschismus? (Ökofaschismus und andere Wahrheitsregime)
Ökologie des Widerstands
Transversale Ökolgien I-III
Ökologie der Nachhaltigkeit
Slavojs Garden
Dichtestress der Laubbäume
Flora und Fauna der habitablen existenziellen Territorien
Zoologie und Anima - Werkzeug und Perspektive
Prekarisierung der Flora und Fauna
Ex nihil nihil fit: Ökologischer Nihilismus
Immer mehr als Eins, denken mit vielen Ökologien
Angewandte Faulheit
Öffentliche Beantwortung der Frage, ob man Geld essen kann
Reenactment of 4:33 incl. live recording of the performance
Sterben für die Umwelt
Foot-Step-Workshop
Gurken einmachen mit Zizek
Wie viel Urin verträgt eine Pflanze?
Katatone Kieselsteine und wie weit man sie werfen kann (Bitte eigene Steinschleuder mitbringen)
Text Recycling: Workshop for lazy poets
Lesung von "Der Ausgestossene" von Samuel Beckett