Jeder Mensch arbeitet, doch nicht alle bekommen Geld dafür

„I don’t want to go to work because I prefer to sleep. But this laziness is the source of intelligence, of technology, of progress. Autonomy is the self-regulation of the social body in its independence and in its interaction with the disciplinary norm.“ Franco Berardi Bifo

 

Welche Prozesse führen zur ideellen und finanziellen Anerkennung der privaten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit? Welche Rolle spielt dabei die Kunst? Welche Alternativen liegen abseits der beiden Extreme von kompletter Ignoranz und kapitalistischer Annektierung? Wie verhindern wir die Selbstprekarisierung?

 

Oft gilt die Lohnarbeit, respektive die bezahlt-produktiv-herstellende Tätigkeit, als einzige gesellschaftlich anerkannte Form der Arbeit. Die berufliche Karriere stellt deshalb einen entscheidenden Faktor dar, wie die Bio-Ware Mensch innerhalb der Gesellschaft rezipiert wird. Gekoppelt an die immer aggressiver werdenden Vorstösse der Privatwirtschaft, in lang erkämpfte sozialstaatliche Bereiche, verlieren Menschen ohne Arbeit jede gesellschaftliche Anerkennung und einige sogar die Grundlage ihrer Existenz. Wer beispielsweise unbezahlte Care-Arbeit leistet, ist zweifelsohne den nachteiligen Konsequenzen beim beruflichen Werdegang und den notwendigen sozialen Absicherungen ausgesetzt. Da die Lohnarbeit aufgrund dieser Tatsachen zum Lebensinhalt schlechthin geworden ist, dient sie längst nicht mehr nur zum Mittel der Existenzsicherung, sondern darüber hinaus als Mittel der Disziplinierung.

 

Durch die Beschränkung des Begriffs der Arbeit auf eine Warenproduktion im Verständnis der klassischen Ökonomie, werden Produktionsweisen die den Intellekt, das Sprachvermögen oder die Affekte erfordern und in ein sich beständig veränderndes „Produkt“ einfliessen, von der gesellschaftlichen Wertschätzung ausgeschlossen. Doch zahlreiche Tätigkeiten auf die unsere Wissensgesellschaft zurückgreift, finden ausserhalb der bezahlten Arbeit statt. Die im privaten Bereich ausgeführte Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit, aber auch künstlerische Mittel und Aktionsformen, sowohl politisches Handeln werden in ihrer immateriellen Wertbildung schlichtweg nicht gewürdigt. Dennoch stellt die Kommodifizierung dieser Engagements keine Lösung dar, da dies nur zu einer Ökonomisierung des Wissens führt. Diesbezüglich hat sich bereits gezeigt, dass die zunehmend unter Spar- und Rationalisierungsdruck geratene Arbeit in Spitälern, Heimen und Krippen zu einer beständigen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führt.

 

Nach drei räumlich unterschiedlichen Ereignissen, wird das HOSPIZ DER FAULHEIT nun mit einem Werkbeitrag einen Erfahrungsraum innerhalb der 4. Gruppenausstellung des Kabinetts der Visionäre in Chur schaffen, der sowohl eine diskursive als auch praktische Annäherung mit diesen Thematiken ermöglichen soll. Beim Beitrag handelt es sich um eine schwarze PVC-Blache mit dem weissen Schriftzug „Jeder Mensch arbeitet, doch nicht alle bekommen Geld dafür“, die im Aussenbereich des Areals und somit gut sichtbar für Passant*innen angebracht wurde. Damit soll einerseits die Schwellenangst zum Besuch der Ausstellung überwunden, aber 
auch ein Nachdenken über das Thema abseits des Ausstellungsrahmens angeregt werden. Jede*r kann daran teilhaben. Auch Passant*innen oder Anwohner*innen, die normalerweise keine Ausstellungen im Kabinett besuchen. Auch der Zufall spielt bei der Ausrichtung zur Strasse eine grosse Rolle, da man beim Vorbeifahren mit dem Auto, Bus oder Velo einen Blick auf den Schriftzug erhaschen kann.

 

Somit bildet die Anregung des Diskurses das eigentliche Werk. Es wird zusätzlich von einer Auswahl an Bildern, Büchern und Texten zu den Themen in den Ausstellungsräumen begleitet werden, welche Anregungen bieten können um die Diskurse zu fokussieren aber auch zu differenzieren. Während des Ausstellung sind die Besucher*innen nicht nur eingeladen im HOSPIZ DER FAULHEIT zu übernachten, sondern haben auch die Möglichkeit sich zum Lesen zurückzuziehen oder gemeinsam über die Themen der immateriellen Arbeit, Refusal of Work, Care-Arbeit, Prekariat und die Notwendigkeit der Musse zu diskutieren.